Please use this identifier to cite or link to this item: https://hdl.handle.net/20.500.12104/84130
Title: Die deutschsprachige Kurzgeschichte nach 1980 und ihr möglicher Einsatz im Fremdsprachenunterricht
Author: Colis Carvajal, Roberto Adrián
metadata.dc.contributor.director: Pérez Díaz, Olivia
Issue Date: 31-Jan-2018
Publisher: Biblioteca Digital wdg.biblio
Universidad de Guadalajara
Abstract: „Nur die Literatur macht den Sprachunterricht erträglich“ behauptet der Literatur- und Sprachwissenschaftler Harald Weinrich (1988, 221-245). Und die Literatur kann im Deutschunterricht viele Rollen spielen: sie „kann Lust an der deutschen Sprache wecken, kann Lust aufs (Weiter-)Lesen deutschsprachiger Texte machen, kann spannende Anlässe und Themen zum Nachdenken und Diskutieren liefern, kann auf die deutsche Sprache und auf die deutschsprachigen Länder ein ganz besonderes Licht werfen“ (Dobstadt 2011: 5). Der von Weinrich oft zitierte Kommentar stellt aber in Frage, wie die Literatur diese Funktion erfüllen kann und welchen Stellenwert der literarische Diskurs im Fremdsprachenunterricht hat. Da der Einsatz von literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht allerdings ein umstrittenes Gebiet ist, müssen wir einige grundsätzliche Überlegungen voranschicken. Sie sollen auf eine sehr interessante Gattung der deutschsprachigen Literatur angewandt werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich konkret mit der deutschsprachigen Kurzgeschichte der Gegenwart. Mein Interesse an dieser Gattung hat zwei konkrete Gründe: einerseits steht sie in enger Verbindung mit der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach 1945. Man kann die deutsche Kurzgeschichte in Deutschland als eine Antwort auf die soziale, politische und kulturelle Situation der Nachkriegszeit verstehen. Einige Autoren der Kurzgeschichte heben hervor, dass ihre Texte, „ihr Entstehen (...) einer Katastrophe verdank[en], dem Krieg.“ (Schnurre 1964, 9). Diese Modellierung einer Gattung im Kontext der historischen Entwicklung Deutschlands finde ich außerordentlich interessant. Die spätere soziale Entwicklung Deutschlands (gegen Mitte der 60er Jahren) hat schließlich zu einer zusätzlichen politischen Positionierung dieser literarischen Gattung geführt. Danach hat die Kurzgeschichte entschieden an Interesse verloren, gegenwärtig präsentiert sie sich als eine beliebte Darstellungsform in Internetforen. Für die Themenwahl meiner Masterarbeit haben darüber hinaus die ästhetischen Komponenten der Kurzgeschichte eine entscheidende Rolle gespielt. Am wichtigsten erscheint mir die Einbeziehung von Erzähler und Leser, d.h. die Nähe zwischen Erzähler und Leser, die Durzak mit guten Gründen betont: „Sicherlich trifft es zu, dass im Vergleich zum Roman, zur Großerzählung oder zur Novelle die Distanz zwischen dem Erzähler und dem Publikum in der Short Story am geringsten ist, d.h., der Leser wird hier am stärksten in den ästhetischen Produktionsprozess mit einbezogen. Der Mitteilungsfaktor ist in der Kurzgeschichte am stärksten ausgeprägt“ (Durzak 2002, 10). In diesem Zusammenhang kommt der Rezeptionsästhetik eine besondere Rolle zu, denn an der Gattung der Kurzgeschichte lässt sich am deutlichsten erkennen, dass literarische Texte kein geschlossenes Weltbild darstellen müssen und, dass „das Zusammenspiel de Fiktiven und des Imaginären eine entscheidende Rolle spielt“ (vgl. Iser 1996, 287-300). Die Gattung der Kurzgeschichte verlangt darüber hinaus nach einer sehr limitierten, erkennbar kurzen Lesezeit. Schließlich ist das offene Ende der Kurzgeschichte ebenfalls ein zentraler, ästhetischer Faktor, der die Auswahl der Gattung für meine Arbeit bestimmt hat. Aufgrund der genannten und anderer ästhetischer Elemente, erweist sich die Kurzgeschichte meiner Meinung nach als ein geeigneter literarischer Text für den Fremdsprachenunterricht und für die Förderung der Sensibilisierung der Lernenden für die ästhetische Dimension der Sprache (vgl. Dobstadt; Riedner 2009). Im Einklang mit der Rezeptionstheorie Wolfgang Isers, welche die Leerstelle als einen Grundbegriff der Rezeptionsästhetik etabliert, verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, Strategien zur Entwicklung eines ästhetischen Sprachverständnisses zu skizzieren. Dieses wird ausgehend von Überlegungen zur Rolle der Form und den spezifisch ästhetischen Strategien der Kurzgeschichte verfolgt, darüber hinaus gilt mein besonderes Augenmerk dem Beitrag zur Bedeutungsbildung, den die Kurzgeschichte leistet. In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf Überlegungen zur Gattung der Kurzgeschichte im deutschsprachigen Raum, weil dieser literarischen Form trotz einer großen Zahl von Kurzgeschichten in der gegenwärtigen deutschsprachigen Literatur kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dagegen hat in der internationalen Literaturszene die Verleihung des Literaturnobelpreises im Jahr 2013 an die kanadische Schriftstellerin Alice Munro dazu beigetragen, die Gattung der Kurzgeschichte neu zu beleben. In meiner Masterarbeit beschränke ich mich auf den Zeitraum nach 1980. Einen Teil meiner Arbeit widme ich der Frage nach dem möglichen Einsatz von Kurzgeschichten im Fremdsprachenunterricht. Ich versuche dabei, nicht nur die Kurzgeschichte als Gattung in den Fokus zu rücken, sondern auch auf die Möglichkeiten der gegenwärtigen Kurzgeschichten im Bereich DaF aufmerksam zu machen. Über einen Bedarf an aktueller Forschung zu den Möglichkeiten der Kurzgeschichten im Unterricht bemerkt Quentin (2010): Die am häufigsten gedruckten Kurzgeschichtenautoren entstammen mehr oder weniger derselben Autorengeneration. Keiner von ihnen ist jünger als 70 Jahre. [...] Kurzgeschichten neueren Entstehungsdatums [...] finden sich — wenn überhaupt — nur vereinzelt sowohl in Schulbüchern als auch in Textsammlungen. [...] Die Redaktionen in Schulbuchverlagen greifen offensichtlich in den meisten Fällen immer wieder auf die ‚klassischen‘ Kurzgeschichtenautoren und ihre Texte zurück. (Quentin 2010, 107) Diese Beobachtung Quentins macht deutlich, dass es nicht nur an neuerer Forschung zum Einsatz von Kurzgeschichten in der Schule mangelt, sondern auch an der Initiative oder den nötigen Kenntnissen auf Seiten der Lehrkräfte und der Lehrbuchverlage, um geeignete zeitgemäße Kurzgeschichten auszuwählen und didaktisch aufzubereiten. Es gibt einige Ausnahmen, wie z.B. das Buch fürs Gymnasium EinFach Deutsch Unterrichtsmodelle: Die Kurzgeschichte auf dem Weg ins 21.Jahrhundert: Gymnasiale Oberstufe aus dem Jahr 2007 von Betinna Gresse. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich einerseits auf die deutschsprachige Gegenwartskurzgeschichte und ihre Behandlung im DaF-Unterricht. Andererseits möchte ich mich auch intensiv grundsätzlichen Überlegungen über die Gattung und ihre Möglichkeiten zuwenden. Dabei möchte ich vor allem untersuchen, wie sich die Gattung Kurzgeschichte seit den 80er Jahren formal und thematisch entwickelt hat. Ich werde versuchen, dafür sinnvolle Kriterien hervorzuheben, an denen sich Deutschlehrer bei der Auswahl von literarischer Kurzprosa für den Deutschunterricht orientieren können. Für die oben genannten Ziele werden die folgenden Fragestellungen formuliert: 1. Wodurch zeichnet sich die Gattung Kurzgeschichte aus? Wie hat sich die deutschsprachige Variante der Gattung im Laufe ihrer Entwicklung strukturell und thematisch verändert? 2. Wie schaltet sich der Leser während der Lektüre einer Kurzgeschichte ein? Wie beteiligt er sich dabei an der Sinngebung? 3. Welche Beispiele zeitgenössischer Kurzprosa könnten im Fremdsprachenunterricht verwendet werden und welche Merkmale moderner Kurzgeschichten sollten DaF-Lehrkräfte beachten, um das ästhetische Sprachverständnis der Lerner zu fördern? Die vorliegende Arbeit gliedert sich in 8 Teile: eine Einführung, vier Kapitel, Schlussfolgerung, Literaturverzeichnis und Anhang. Im ersten Kapitel werden die konzeptuellen Grundlagen zum Analysegegenstand Kurzgeschichte in der Form einer Gattungstypologie präsentiert. Zunächst wird die Gattung Kurzgeschichte durch ihre erzählerisch relevanten Merkmale charakterisiert. Anschließend wird eine zusammenfassende historische Entwicklung der Kurzgeschichte präsentiert, in der die Hauptperioden der Gattung beachtet werden. Dafür wird u.a. auf die theoretischen Überlegungen von Anne-Rose Meyer, Jürgen Egyptien und Kaspar H. Spinner zurückgegriffen. Im zweiten Kapitel folgt eine Darstellung der rezeptionsästhetischen Überlegungen Wolfgang Isers, welche die Rolle des Lesers bei der Sinngebung im Text beschreiben. Diese Prinzipien sind so aufgeführt, dass die Rolle der Leerstellen und der Unbestimmtheit in der Gattung Kurzgeschichte besser verstanden werden können. In diesem dritten Kapitel folgt die Analyse fünf ausgewählter Kurzgeschichten den theoretischen Überlegungen von Iser und Meyer. Es handelt sich um folgende Kurzgeschichten: Das schönste Mädchen (1999) von Peter Stamm; Hilflosigkeit (1981) von Adré Grab; Camera Obscura (2007) von Judith Hermann; Starter (2016) von Kathrin Rögglas und Wo ich herkomme (2017) von Jochen Rausch; Abschließend wird ein Gegenbeispiel für Kurzgeschichte analysiert: “-2-” aus Zehn Minuten und ein ganzes Leben von Manuela Reichart (2007). Im vierten Kapitel setze ich mich mit dem Potential von Kurzgeschichten im Fremdsprachenunterricht auseinander. Anschließend entwickle ich Ideen und Möglichkeiten zum Einsatz von Kurzgeschichten im DaF-Unterricht. Dafür werden zwei Unterrichtsplanungen mit entsprechenden Aufgaben vorgestellt. Danach kommen die Schlussfolgerung, das Literaturverzeichnis und ein Anhang mit den fünf Erzählungen, den Unterrichtsplanungen und dem dazu vorbereitenden Material.
URI: https://hdl.handle.net/20.500.12104/84130
https://wdg.biblio.udg.mx
metadata.dc.degree.name: MAESTRIA INTERINSTITUCIONAL EN DEUTSCH ALS FREMDSPRACHE ESTUDIOS INTERCULTURALES DE LENGUA, LITERATURA Y CULTURA ALEMANAS
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